Ein Klaps hat noch niemandem geschadet…

6. April 2017 , In: Tina, ZweiBlicke , With: One Comment
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Wie oft ich diesen Satz in der letzten Zeit gehört habe. Erst vor kurzem wieder, als eine Fotografin wissen wollte, wie es mir mit Liv geht. Und nachdem ich nicht zur Fraktion „Schönwetter-Mutter“ gehöre, habe ich sehr direkt geantwortet, dass Liv momentan eine kleine Krawallschwester ist und wir damit beschäftigt sind, ihr das Beißen und Zwicken abzugewöhnen. Was sie ab und an macht, wenn sie gefrustet ist, aber sich gleichzeitig noch nicht artikulieren kann. Wir sagen dann ein strenges NEIN und versuchen, sie aus der Situation herauszunehmen. Ob das zum Erfolg führt und pädagogisch wertvoll ist? Keine Ahnung, in paar Wochen oder Monaten weiß ich hoffentlich mehr…

Der Rat der (kinderlosen) Fotografin war recht simple: „Also mal ehrlich, ein Klaps hat doch noch niemanden geschadet. So sind wir aufgewachsen und ich hab da auch keinen Schaden davongetragen!“ Das war der Moment, in dem ich dann nicht mehr wusste, wie ich darauf reagieren soll und einfach schnell das Thema gewechselt habe. Denn offen gesagt: Ich hatte mich schlicht und einfach bis dato mit diesem Thema nicht beschäftigt. Darf man seinem Kind einen Klaps geben? Oder es sogar über´s Knie legen?

Plötzlich stand da eine Frage im Raum, über die ich mir noch nie Gedanken gemacht habe, die aber sehr kontrovers diskutiert wird. So gibt es eben die „Ein Klaps hat noch niemanden geschadet“-Fraktion. Oder eben auch die Gruppe derer, bei der eine gewaltfreie Erziehung oberste Priorität hat. Im Großen und Ganzen ist das Ganze vergleichbar, wie wenn ein Sympathisant der Grünen auf einen AfD-Anhänger trifft: egal wie lange man diskutiert, man wird niemals auf einen Nenner kommen.
Recht stark vertreten scheint die „Pro-Ohrfeigen“-Gruppierung allerdings bei Facebook auf den diversen Mütter-Seiten zu sein. Hier nur zwei Beispiele, welche Kommentare bei diesem Thema die meisten Likes erhalten haben:

Aha. Und nun? Ganz ehrlich – lange überlegen musste ich nicht, einzig und alleine auf mein Bauchgefühl hören. Nein! In meinen Augen ist es nicht in Ordnung, sein Kind zu schlagen, ihm einen Klaps oder eine Ohrfeige zu geben. Und es ist auch nicht okay, sein Kind über´s Knie zu legen. Genauso wenig muss ich „härter durchgreifen“, wie ich es in der letzten Zeit des Öfteren gehört habe.
Was ich hingegen muss, ist eine klare pädagogische Linie finden, diese richtig umsetzen und lernen, wie man mit einem Kind umgeht, das eben auch seine eigene Meinung hat und keine perfekt funktionierende Maschine ist. Und das Allerwichtigste: Ich muss meinem Kind ein Vorbild sein. Und Vorbilder lösen Probleme mit rhetorischer und nicht mit physischer Überlegenheit. Aggression erzeugt Aggression. Gewalt erzeugt Gewalt. Und die schlimmste Gewalt ist die von Stärkeren gegenüber Schwächeren. Meine Aufgabe als Mutter ist es, meinem Kind zu zeigen, wie man in schwierigen Situationen souverän bleibt und Frieden herbeiführt.

Ich möchte meinem Kind nicht beibringen, dass körperliche Demütigung zum Erfolg führt. Wie sollen Kinder lernen, Konflikte verbal zu lösen, wenn sie es anders vorgelebt bekommen? Hinzu kommt, dass Schlagen in meinen Augen immer ein Zeichen von Hilflosigkeit und Schwäche ist. Und auch von Überforderung. Nicht umsonst empfehlen Psychologen, sich eine Auszeit zu nehmen, wenn man merkt, dass man die Kontrolle verliert und sich dabei ertappt, dass einem die Hand ausrutschen könnte.

Natürlich gibt es Situationen, in denen Eltern die Nerven verlieren. Nur ist es eben ein Unterschied, ob man sich danach für sein Verhalten entschuldigt und es als falsch einstuft oder ob man sich prinzipiell für Ohrfeigen in der Erziehung ausspricht. Laut einer Studie aus dem Jahr 2015 sehen zwar 90 Prozent der Eltern eine gewaltfreie Erziehung als Ideal an, aber 48 Prozent halten laut Kinderschutzbund leichte Körperstrafen wie eine Ohrfeige für zulässig. Und diesen 48 Prozent rutscht eben nicht aus Versehen die Hand aus, sondern weil sie ihr Vorgehen auch noch als legitim und effektiv einstufen.
Dabei ist eine Ohrfeige alles andere als legitim: Eltern, die ihren Kindern einen Klaps oder eine Ohrfeige verpassen, machen sich nach §233 StGB (Strafgesetzbuch) sogar strafbar – die Tat gilt schlicht als Körperverletzung.
Unabhängig vom Gesetz sollten wir als Gesellschaft inzwischen allerdings auch weit genug sein, dass solche Erziehungsmethoden der Vergangenheit angehören. Gewalt und Aggression – das sollten wir als zivilisierte, aufgeklärte Menschen inzwischen wissen, haben noch nie ein Problem gelöst. Und dies gilt eben nicht nur für den großen politischen Rahmen, sondern auch für den kleinen familiären Mikrokosmus.

Wenn das nächste Mal wieder jemand den Klaps empfiehlt, der ja noch „niemandem geschadet hat“, werde ich nicht mehr das Thema wechseln. Denn wenn man diese Meinung unkommentiert lässt, ist das ja auch letztendlich eine Art von stillschweigender Akzeptanz, verbunden mit der Legitimation, einem kleinen, wehrlosen Menschen Schaden zuzufügen. Und das kann nie die Lösung sein.

 

Titelbild: ambrozinio/shutterstock.com.

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    Man sollte keinesfalls auch nur ansatzweise irgendeine Form von Gewalt dulden. Gewalt hat in der Erziehung nichts verloren. Auch Ohrfeigen sind eine Form von Gewalt an Kindern. Das darf man nicht gut heißen.

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Tina und Meike

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