M(I)AMI NIGHTS

3. Januar 2016 , In: Tina , With: One Comment
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Seit einigen Tagen sind wir bereits mit Liv in Miami unterwegs. Und ich gestehe: ohne ein vier Monate altes Baby wäre ich definitiv an einem anderen Ort gelandet. Nicht nur, weil ich bereits vier Mal in Miami war. Sondern weil mir hier irgendwie alles zu groß, zu laut, zu viel ist. Egal ob Oberweiten, Autos oder Portionen – in Miami steht man auf die Superlative.

Vor unserem Hotel stand die letzten Abende ein goldener Lamborghini* mit dem Kennzeichen „WINNING“. Fast hätte ich dem Typen gesagt, wie viel smarter es doch wäre, einfach mit dem Rad vorzufahren. Aber wie sagt mein Freund immer so schön: „Gekauft, wie gesehen“. Klar, wer Miami bucht, bekommt Miami. Und wer viel Geld hat, bekommt noch mehr Miami. Und man muss ganz klar sagen: es ist der perfekte Ort, um mit einem kleinen Baby Urlaub zu machen. Die Supermärkte sind rund um die Uhr geöffnet, an jeder Ecke gibt es Kinderärzte und man kann sich perfekt verständigen, wenn man etwas braucht. Uns ging es also mehr darum, Liv an einem sonnigen Ort etwas besser kennenzulernen und einfach mal zu schauen, wie der Urlaub mit einem Baby denn so läuft. Da war der Ort zweitrangig. Insofern bin ich ohne große Erwartungen hierher gekommen und wurde eines Besseren belehrt. Klar, selbst die Schaufensterpuppen haben größere Oberweiten als Pamela Anderson, Schönheitschirurgen nagen sicher nicht am Hungertuch und Understatement wurde hier einfach mal aus dem Wortschatz verbannt. Aber: während ich mich in Deutschland mit Baby sehr schnell kritisch beäugt fühle, habe ich hier dieses Gefühl so gar nicht. Nachdem wir nicht jeden Abend im Hotelzimmer essen wollten, haben wir Liv einfach ins Restaurant mitgenommen. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, Blicke mit dem Unterton „Was macht ein Baby um die Uhrzeit im Restaurant“ zu ernten, aber im Gegenteil: an jedem dritten Tisch stand ein Maxi-Cosi mit Baby oder man sah Kleinkinder auf Hochstühlen. Und Alle haben nur nett gelächelt, als wir mit Liv ankommen und sie mit „Hello Baby“ begrüßt. Bei uns gibt es das irgendwie nicht. Sagt der Babysitter ab, gehen die Eltern auch nicht essen. Und ich gestehe: in München waren wir genauso. Es wäre uns bisher nicht in den Sinn gekommen, Liv abends mitzunehmen. Dabei ist es doch so einfach! Einige Abende ist sie sofort eingeschlafen, an anderen Abenden hat sie interessiert die Leute beobachtet und war bester Laune. Wir konnten dennoch in Ruhe essen, haben eine Flasche Wein getrunken und sind dann völlig zufrieden nach Hause spaziert. Und haben selbst um Mitternacht noch einige andere Eltern mit Babywagen oder Carrier gesehen. Ähnliches Szenario am Pool. Obwohl unser Hotel eigentlich auch bei Partyleuten sehr beliebt ist (warum wir nicht im Familienhotel gelandet sind könnt Ihr hier lesen), saß auf jeder dritten Liege ein Baby oder Kind. Kinder gehören hier so selbstverständlich dazu wie ein Glas Rosé zum Mittagessen.

Ich ertappe mich bei den Gedanken, dass ich hier eher noch ein zweites Kind bekommen würde als in Deutschland. Mein Eindruck spiegelt sich auch in der Geburtenrate wieder. Deutschland ist aktuell – mit erheblichen Bemühungen seitens des Staates – auf 1,47 Kinder pro Frau gekommen. Trotz Elterngeld und guter beruflicher Absicherungen scheinen die Deutschen also Hemmungen zu haben, Kinder in die Welt zu setzen. In den USA und in Frankreich ist die Geburtenrate innerhalb der 34 OECD Staaten am höchsten  – momentan liegt sie bei 2,0 Kindern pro Frau. Und das, obwohl in den USA die staatlichen Leistungen für Familien eher mager ausfallen und Arbeitgeber wenig Rücksicht auf Schwangere oder Mütter nehmen müssen. Am Geld kann es also nicht liegen. Vielleicht liegt es einfach daran, dass man hier in den USA nicht davon ausgeht, dass sich das Leben mit Kind um 180 Grad ändert. Dieser Nimbus der Selbstgeißelung, den deutsche Eltern oftmals vor sich hertragen, ist hier einfach nicht präsent. Ein Kind ist die Erweiterung der Familie, wird ins Leben integriert, bedeutet aber nicht, dass man ständig Abstriche machen muss oder als Mutter erst einmal zwei Jahre beruflich pausieren muss. Ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass man in Deutschland nur eine gute Mutter ist, wenn man permanent darauf achtet, was in jeder Sekunde für das Kind das Beste ist und alle anderen Dinge dieser Aufgabe unterordnet. Abgesehen davon, dass man erziehungstechnisch sicher darüber diskutieren kann, ob das auch das Optimale für das Kind ist, führt die partielle Selbstaufgabe der Mutter sicherlich auch dazu, dass der Wunsch nach einem zweiten Kind nicht besonders ausgeprägt ist und dies sogar manchen Frauen auch Angst vor dem ersten Kind macht. Offen gesagt habe ich selbst einige Frauen in meinem Freundeskreis, die sich davor scheuen, schwanger zu werden, aus Angst, es könnte doch ALLES anders werden.

Ich würde mir wünschen, dass wir Mütter in Deutschland alles ein wenig unkomplizierter sehen. Dass es abends im Restaurant keine vorwurfsvollen Blicke gibt, wenn eine Mutter ihr Baby dabei hat, sondern sie zu hören bekommt, was für eine coole Mami sie ist. Dass es in Ordnung ist, wenn Mütter bereits nach einigen Monaten wieder arbeiten und nicht der Satz fällt „Wer passt dann auf´s Baby auf?“ (Es ist ja davon auszugehen, dass es nicht alleine zu Hause ist und sich ´ne Pizza warm macht) sondern ein Lob fällt, welch tolles Zeitmanagement man hat. Und dass es völlig natürlich ist, dass auch andere Menschen mal auf den Nachwuchs aufpassen, egal ob Großeltern, Babysitter oder die beste Freundin. Und dass man auch über andere Dinge reden darf und sich nicht immer alles um das Thema „Kind“ drehen muss. Das hat nämlich nichts damit zu tun, dass man sein Kind weniger liebt. Im Gegenteil. Eine Mutter, die permanent übermüdet und leidend durch die Gegend rennt und sich vehement dagegen wehrt, sich Hilfe zu holen oder auch mal Spaß zu haben, kann auch nicht das Maß aller Dinge sein.

Mein Freund und ich haben uns auf alle Fälle vorgenommen, das amerikanische Prinzip ein wenig nach München zu übertragen. Was nicht heißt, dass wir jetzt sofort unsere Geburtenrate erhöhen wollen:) Aber Liv wird zukünftig öfter abends mit zum Essen kommen und skeptische Blicke werden einfach ignoriert. Irgendwie war das Zeichen mit „WINNING“ dann gar nicht so falsch. Denn eine relaxtere Einstellung haben wir auf jeden Fall dazugewonnen.
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* Danke an Marc für den Hinweis, dass der Ferrari ein Lamborghini ist:)

  1. Avatar
    • Ina
    • 30. Januar 2016
    Antworten

    Hab euren/deinen Artikel gerade bei der Huffpost gelesen und muss sagen, dass ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, wovon du schreibst – wir wohnen auch in München, ich glaub sogar im gleichen Stadtteil :), und meine beiden Kinder haben schon zig Restaurants von innen gesehen. Insbesondere der große, der während meines Studiums zur Welt kam und mit 4 Wochen in Studentenbars „rumhing“;). Habe dabei nie einen schiefen Blick oder Kommentar bekommen. Oder vielleicht einfach nicht bemerkt. Und ich glaube, München hat auch deswegen einer der höchsten Geburtenraten (absolut sogar mehr Kinder als in den 60ern), weil es sehr kinderfreundlich ist und es den Leuten gut geht. Das einzige problem, dass ich mit Kids je hatte, war eine Ganztagsbetreuung zu kriegen….

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Tina und Meike

Als Mütter wissen wir: Den geraden Weg gibt es nicht! Getreu unserem Motto „Wenn´s durch den Haupteingang nicht geht, dann nehmen wir eben die Seitentür“ suchen wir nach (technischen) Gadgets und anderen erzieherischen Überlebenshilfen und nehmen Euch ganz nebenbei mit auf eine humorvolle Reise durch unser Seelenleben. Erziehungsvorsprung durch (Überlebens-)Technik? Lasst es uns herausfinden!

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