Wie sag ich meinem Kind, dass es kein Talent hat?

2. Januar 2016 , In: Meike, ZweiBlicke , With: One Comment
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Kaum ist das Jahr zwei Tage alt, ist auch DSDS wieder in da house. Deutschland sucht den Superstar oder eher Dieter sucht ihn. Ich gestehe, es gab Zeiten, da saß auch ich gebannt vorm Fernseher, als Dieter Bohlen seine legendären Sprüche raushaute, um die zum Teil wirklich ganz furchtbar schrecklich singenden Kandidaten verbal so richtig abzuwatschen.

Doch auch damals habe ich mich gefragt: „Haben diese Menschen keine Freunde? Keine Familie? Niemanden, der ihnen sagt, dass sie kein Talent zum Singen haben?“
Seit ich Mutter bin denke ich darüber noch etwas öfter nach.

Auch mein Sohn schaut seit ungefähr zwei Jahren gerne DSDS. Oft sitzen wir daher zu dritt oder viert (je nachdem, ob Matheos große Schwester da ist) mit Chips und Popcorn vor der Glotze und beurteilen fachkundig  wie eine externe Jury die Leistungen. Oder aber wir singen lauthals zu den  Liedern. Immer ganz vorn mit dabei: mein Sohn.

Und hier beginnt das Problem. Unser Sohn ist der festen Überzeugung ist, dass er auch auf so eine Bühne gehört!
Sei es das Singen oder Tanzen – er findet sich in beidem hinreissend. Auch ich finde ihn hinreissend und zwar in ungefähr allem, was er tut, ganz einfach, weil ich ihn mehr liebe als Worte beschreiben könnten.
Ich finde ihn sogar dann hinreissend, wenn er nur dasitzt und einfach gar nichts tut.

Ich habe vor Stolz geheult, wenn er mir als kleines Kind seine Gute-Nacht-Lieder vorgesungen hat oder Hits aus dem Radio. Auch heute hänge ich verliebt an seinen Lippen, wenn er im Auto neben mir voller Inbrunst „Astronaut“ zum Besten gibt, was er übrigens richtig super macht.

Trotzdem bin ich nicht taub. Ich weiß, dass das, was in meinen Ohren wie Engelschöre klingt, für andere Menschen nur Krach sein kann. Kann.

Tja, was aber tun, wenn man seinem Kind ein Leben lang zu allem Beifall geklatscht hat und es immer wieder darin bestätigt, dass es alles werden kann, was es will? Und dann kommt plötzlich Tag X und man muss die Hosen runter lassen.

So wie mir geschehen. Matheo möchte nämlich unbedingt bei einer dieser Singshows mitmachen. Seit ungefähr einem Jahr oder ein bisschen länger äußert er diesen Wunsch ganz konkret. Doch was soll ich ihm sagen?

Mal abgesehen davon, dass er mir persönlich in der Tat noch viel zu jung dafür ist, bin ich leider der Meinung, dass er in puncto Singen nicht genug Talent hat, um sich gegen die Konkurrenz auch nur im Ansatz durchzusetzen und deshalb sehr unglücklich sein würde. Er flippt ja schon total aus, wenn er bei Mensch ärgere dich nicht verliert!

Jetzt könnte man behaupten, „na und, dabei sein ist schließlich alles und Kinder müssen lernen mit Niederlagen umzugehen.“ Das ist bestimmt richtig, aber muss das im TV sein? Soll ich zulassen, dass sich mein Sohn eventuell blamiert, obwohl ich es hab kommen sehen?

Natürlich kann ich es mir einfach machen, und ihm schlichtweg verbieten, in eine solche Show zu gehen bis er 18 ist und selbst entscheiden kann. Ich könnte es ihm verbieten, indem ich ihm sage, dass ich aus meiner Überzeugung heraus generell und total gegen diese Form der TV-Show bin.
Das wäre aber gelogen. So denke ich nicht. Im Gegenteil, ich bin fest überzeugt, dass es Kinder gibt, die wollen und brauchen die Bühne und die gehören da auch hin.

Bei mir war es das Tanzen. Seit ich mich erinnern kann, habe ich getanzt. Und zwar immer dort, wo mich andere sehen konnten. Schon als Dreijährige machte ich alles zu meiner Bühne, was sich nur im Ansatz dazu eignete. Das änderte sich auch später nicht und das ist heute noch so. Manchmal bin ich sogar ein bisschen neidisch, dass es diese Sendungen früher nicht gab, ich hätte furchtbar gerne mitgemacht. So blieb es eben bei Schultanzwettbewerben und Bayrischen Meisterschaften..

Insofern verstehe ich meinen Sohn nur zu gut und ich finde ehrlich und ohne irgendwelche mütterlichen Hintergedanken, dass er durchaus enormes Talent hat, zu performen. Nur nicht, wenn es darum geht, sich ganz ernsthaft einem solchen Gesangswettbewerb zu stellen, der von Millionen Menschen gesehen wird. Jedenfalls noch nicht!

Ich habe mich daher entschieden, Matheo die Wahrheit zu sagen. Keine böse Wahrheit, sondern eine gute. Eine, die ihm erklärt, dass er toll ist in ganz vielem, aber es Dinge gibt, die andere besser können. Er weiß aber auch, dass er um alles, was er unbedingt machen will und wovon er überzeugt ist, kämpfen muss, egal was ich oder andere sagen. Menschen können irren, Mütter auch.

Wer weiß, was aus seiner Leidenschaft noch wird? Die Fantastischen Vier können im Prinzip auch nicht singen, dafür fantastische Texte schreiben, rappen und sensationelle Lieder kreieren. Ich bin Fan erster Stunde und werde das auch bleiben – von den Fantas und von meinem Sohn!

Und sollte ich merken, dass sein allergrößter Herzenswunsch auch in einer Weile noch der ist, sich im TV zu präsentieren, auch auf die Gefahr hin, dass er sich vielleicht doch zum Affen macht, dann werde ich ihn auch hier unterstützen. Dann muss ich das sogar.

Und somit beantwortet sich wohl meine Frage, ob all diese abgewatschten Kandidaten denn keine Freunde oder Familie haben. Wahrscheinlich haben sie die schon, aber denen geht´s dann vielleicht genauso wie mir;-)

Wie seht Ihr das? Auch ganz unabhängig von TV-Shows.
Sollte man sein Kind in einer Sache bestätigen, die es gerne tut, auch wenn man schon sehen kann, dass es kein Talent hat?
Spielt Talent keine Rolle, wenn man dafür härter an sich arbeitet? Mehr übt als andere?
Kann man vielleicht doch alles werden, was man will, wenn man es unbedingt will?
Oder ist dabei sein manchmal wirklich alles?

  1. Avatar
    • naturalbornmother
    • 21. Januar 2016
    Antworten

    einfach grad raus … keiner möchte sein kind sich blamieren sehen oder? … mein kind möchte auch ständig zu the voice, und nachdem ich gesehen habe was für ein level die haben sag ich ihr auch ganz klar dafür muss sie besser werden, weil ich auch keine psychotherapeutische ausbildung habe um das danach aufzufangen … und man kann ja auch klein anfangen, gesangslehrer suchen lernen üben abliefern …. ich finde auch man sollte das kind bestätigen in dem was es tut, aber ihm auch ganz klar sagen wo es steht, ist doch wie mit ner schulaufgabe, bei ner 5 in mathe willst du ihm doch auch nicht erzählen er sei ein genie …und eins noch, wir (eltern) sind ihre besten freunde und familie, wenn sie von uns nicht die schonungslose wahrheit erfahren sollten, von wem denn dann

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